Ich sehe mir im Fernsehen gerne mal einen Krimi an. Bei Krimis weht immer ein Hauch von beglückendem Pharisäertum durch unsere warme Stube: „Wie gut, dass ich nicht so bin wie jene da….“ Und danach schläft es sich besser.
Allerdings irritiert mich zunehmend das Profil der Straftäter. Letztens, „Tatort“: Während einer Demo wird ein Unbeteiligter auf der Straße zusammengeschlagen. Natürlich werden von der voreingenommenen Polizei zunächst einige nette Jungs von attac verdächtigt. Aber der verständnisinnige Kommissar lässt sich von solchen Klischees nicht leiten, zumal sein Sohn zu den wohlerzogenen Demonstranten gehört: Er entschuldigt sich bei der Polizei brav für seine Entgleisungen. Sehr sympathisch, diese Steineschmeißer. Und tatsächlich: wer waren am Ende die Täter? Ein Apotheker, ein Staatsrat und ein Bauunternehmer! Und der Kommissar gesteht seinem Sohn, dass er selbst auch gerne an der Demo teilgenommen hätte. Ach Gottchen!
Nächster Fall: „Die Kommissarin“, mit dem Charme einer Spätblühenden, löst den Fall. Morde an jungen Frauen. Natürlich ist der zunächst verdächtigte Sexualstraftäter aus dem Vereinsregister dieser Gilde völlig unschuldig. Die vorurteilsbeladene Polizei hatte den armen Kerl gänzlich unberechtigt ins Visier genommen. Aber die Kommissarin findet – Gott sei Dank – heraus, dass die brutalen Verbrechen schließlich auf das Konto eines Schulleiters gehen.
Wieder „Tatort“, 14 Tote im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch. Da wird erpresst, vergewaltigt, Sektenmumpiz betrieben und hemmungslos gemordet. Und wer stellt sich hinterher als die eigentlichen Drahtzieher heraus: der Oberstaatsanwalt, ein Arzt und ein Strafverteidiger.
Plötzlich wurde mir klar, in welch kriminellen Kreisen ich mich häufig bewege. Und ich fand, er schreit nach persönlichen Konsequenzen: ich habe sofort meinen Anwaltstermin sausen lassen und meinen Arztbesuch abgesagt. Ich sehe nicht ein, warum ich diese potentiellen Schwerverbrecher auch noch bereichern soll. Stattdessen habe ich mir ein Six-Pack Bier von Aldi gekauft und bin zu den netten Jungs und Mädchen am Hauptbahnhof gefahren. Zuerst wollten sie mich nicht so recht akzeptieren, und die Hunde haben gekläfft, aber nach dem dritten Six-Pack und einem Fläschchen Wodka vom Kiosk ging es dann. Bequeme Bänke und Blumenschmuck ringsum. Gemeinsam sind wir ein bisschen über die Kapitalistenschweine und Bullenschweine hergezogen, haben uns über die obrigkeitshörigen Passanten totgelacht, und ich habe einen Gratisjoint abgekriegt. Den anschließenden Herointrip gleich um die Ecke musste ich allerdings bezahlen, aber ablehnen ging nicht, man will ja nicht als ausländerfeindlich dastehen. Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr so recht.
Zugegeben, am anderen Tag stellte ich fest, dass mein Portemonnaie samt Scheckkarte weg war. Mein Hemd war zerrissen, und am Oberschenkel hatte ich eine Bisswunde.
Gleichwohl war es insgesamt ein netter Tag an der frischen Luft, vor allem, wenn ich bedenke, mit was für Leuten ich ansonsten zusammen bin: jenen Ärzten, Rechtsanwälten, Apothekern und Lehrern, ja, sogar Staatsräten, die in ihren Einfamilienhäusern unter der Maske der Biedermänner scheinbar vor sich hin dümpeln und dabei ein Schwerstverbrechen nach dem anderen ausbrüten. ….
Natürlich bin ich der (von mir zwangsgesponserten ARD) dankbar, dass sie mir endlich die Augen geöffnet hat über die wahren Zustände in dieser Gesellschaft.